Abschluss des Wahlkampfs – Haushaltsdefizit und Obamas Kritik

Abschluss des Wahlkampfs – Haushaltsdefizit und Obamas Kritik

Manfred Gerstenfeld (direkt vom Autor)

Die letzten Tage des Wahlkampfs erregten die israelische Öffentlichkeit kaum mehr als in den Wochen zuvor. Doch es gab zwei neue Themen, die von der Opposition ausgiebig hätten verwertet werden können.

Für 2012 wurde bekannt gegeben, dass der israelische Haushalt ein Defizit von 39 Milliarden Schekel oder 4,2% des Bruttoinlandsprodukts erreicht hatte, viel mehr als vorhergesagt worden war. Und das trotz eines BIP-Wachstums um 3,3%.1 Diese Nachricht hätte den Mitte-Links-Oppositionsparteien eine Gelegenheit geben können zu betonen, dass die Regierung Netanyahu Wahlwirtschaft betrieben hat und ihr viel angepriesener wirtschaftlicher Erfolg der letzten Jahre kräftige Schwachstellen hatte.

Stattdessen entschieden sich mehrere Oppositionsführer für den Overkill. Tzipi Livni, Chefin der Bewegung, sagte: „Die politische Verantwortungslosigkeit und falschen Prioritäten“ der Regierung Netanyahu würden „Israel in den Bankrott führen“.2 Sie klang, als ob Israel kurz davor wäre ein zweites Griechenland zu werden. Ihre Forderung, Israel solle seine Prioritäten ändern, weg von den Siedlungen, wurde deutlich weniger zur Kenntnis genommen.

Parteichefin Shelly Yachimovich von der Arbeitspartei benutzte recht ähnliche Worte, als sie erklärte: „Die Daten zum riesigen Defizit demonstrieren die soziale Hölle und das wirtschaftliche Chaos, dem wir uns gegenüber sehen, wenn Netanyahu als Premierminister wiedergewählt wird, was der Himmel verhüten möge.“3 Die Arbeitspartei war allerdings kaum in der Position die Regierung zu kritisieren, da sie vorschlägt mehr auszugeben statt weniger.

Der ehemalige Premierminister Ehud Olmert, der die Kadima unterstützt, an deren Spitze er einmal stand, beschuldigte in diesem Zusammenhang Netanyahu, der habe in den zwei vergangenen Jahren 11 Milliarden Schekel auf „militärische Wahnvorstellungen“ verschwendet. Er bezog sich damit auf Projekte im Zusammenhang mit der atomaren Bedrohung aus dem Iran.4 Netanyahu nannte Olmerts Behauptungen „bizarr“ und „unverantwortlich“.5

In Staaten der Europäischen Union gilt die Regel, dass das Haushaltsdefizit 3% des BIP nicht überschreiten darf. Doch 2011 erreichte das Haushaltsdefizit der 17 Länder der Eurozone 4,1%, nachdem es von den 6,2% im Jahr 2010 reduziert wurde.6 Israel steht alles andere als am wirtschaftlichen Abgrund. Die neue Knesset wird allerdings harte Maßnahmen treffen müssen, z.B. eine Kombination aus Ausgabenkürzungen von 15 Milliarden Schekeln und Steuererhöhungen um etwa 5 Milliarden Schekel für 2013. Bereits vor ein paar Wochen sagte Stanley Fischer, der Präsident der Bank of Israel, dass Steuererhöhungen nötig sein werden.7

Ein zweiter Punkt erhielt mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Am 15. Januar schrieb der amerikanische Kommentator Jeffrey Goldberg auf der Internetseite Bloomberg, dass Präsident Obama in den vergangenen vier Jahren bei mehreren Gelegenheiten über ihn öffentliche Botschaften zur den Themen Palästinenser und Iran an Israel geleitet habe. Er behauptete, dass Obama in privaten Gesprächen die Sorge zum Ausdruck gebracht habe, Netanyahu führe Israel in die „internationale Isolation“. Goldberg legte nahe, die USA könnten ihre diplomatische Haltung gegenüber Israel ändern, wodurch es in der UNO oder in der Konfrontation mit europäischen Initiativen stärker isoliert wäre.8

Die Likud-Sprecher reagierten anfangs mit der Aussage, Netanyahu würde weiterhin internationalem Druck widerstehen, wie er es in den letzten Jahren getan habe.9 Ein paar Tage später gab Netanyahu zu, dass Obama und er Meinungsverschiedenheiten hätten, „besonders zum besten Weg einen verteidigungsfähigen Frieden mit den Palästinensern zu erreichen und voran zu bringen“. Er fügte hinzu, es habe seit der Gründung Israels 1948 Differenzen mit amerikanischen Administrationen gegeben. Als Beispiele führte er die zwischen Ben-Gurion und US-Außenminister George Marshall sowie die zwischen Ariel Sharon und George W. Bush an.10

Ob diese Themen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten haben, muss abgewartet werden. Livni, die versuchte aus Obamas Kritik Kapital zu schlagen, erlebte, wie ihre Unterstützung in den Umfragen weiter zurückging. Das platziert ihre Bewegung weit hinter die Arbeitspartei und deutlich hinter Es gibt eine Zukunft.11

Der Einfluss der Enthüllungen Goldbergs ist vermutlich minimal, denn Obama ist bei den israelischen Juden nicht beliebt. Vor den amerikanischen Wahlen wollte eine Umfrage in Israel wissen, welchen Präsidentschaftskandidaten sie mit Blick auf die Interessen Israels vorzogen. 57 Prozent der israelischen Juden zogen Romney vor, während 22% „Obama“ sagten. Bei den israelischen Arabern war Obama der bevorzugte Kandidat.12

Eine weitere Entwicklung war die Ankündigung des Parteichefs von Israel ist unsere Heimat und ehemaligen Außenministers Lieberman, er werde sich aus dem politischen Leben zurückziehen, sollte er wegen Betrug und Untreue verurteilt werden.13

Mit dem Wahltag vor der Tür versuchen weiterhin einige Parteien ihre Claims in einer möglichen neuen Regierung Netanyahu abzustecken. Es gibt eine Zukunftbesteht darauf der Regierung nur beizutreten, wenn ein nationaler Zivildienst für alle jungen Leute eingeführt wird.14 Sowohl Parteichef Bennett von Jüdische Heimatauf der Rechten als auch Livni und Lapid auf der Linken forderten eine Einheitsregierung, wenn auch mit unterschiedlichen Partnern.15

Entsprechend den Wahlkampfregeln war es nach Freitag, 18. Januar nicht länger erlaubt Umfragen zu veröffentlichen. Das bringt die Flut an Umfragen zum Ende. Die letzten davon zeigten weiter, dass die Mitte-Rechts-Parteien zusammen mit den ultraorthodoxen Parteien in der 19. Knesset eine Mehrheit genießen dürften.16

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Mitglied des Aufsichtsrats des
Jerusalem Center of Public Affairs, dessen Vorsitzender er 12 Jahre lang war.

1 Steven Scheer: Israel budget deficit dents Netanyahu’s ‚Mr Economy‘ image. U.K. Reuters, 14. Januar 2013.
2 Treasury posts budget deficit of NIS 39B. YNetNews, 13. Januar 2013.
3 ebenda.
4 Jonathan Lis/Gilli Cohen: Olmert: Netanyahu spent NIS 11 billion on adventurous fantasies. Ha’aretz, 12. Januar 2013.
5 Asher Zeiger: Defense sources back up Olmert in Iran spending spat. Times of Israel, 14. Januar 2013.
6 David Jolly: European Countries Slashed Deficits in 2011, Data Show. The New York Times, 22. Oktober 2012.
7 Adrian Filut: Fischer contradicts Steinitz on tax hikes. Globes, 27. Dezember 2012.
8 Barak Ravid: Netanyahu associates brush off Obama criticism: PM won’t give in to international pressure. Ha’aretz, 15. Januar 2013.
9 ebenda.
10 Herb Keinon/Steve Linde: PM to ‘Post’: I won’t uproot masses of Jews. Jerusalem Post, 18. Januar 2013.
11. Gil Hoffman: ‘Post’ poll: Likud Beytenu holds steady at 34 seats. Jerusalem Post, 18. Januar 2013.
12 Herb Keinon: Poll: Israeli Jews favor Romney by wide margin. Jerusalem Post, 28. Oktober 2012.
13 Asher Zeiger/Times of Israel Staff: LIberman says he’ll leave politics if convicted. Times of Israel, 14. Januar 2013.
14 Jeremy Sharon: Yesh Atid: Universal service plan ‘red line’ for joining coalition. Jerusalem Post, 17. Januar 2013.
15 Lapid, Livni, Bennett call for national unity coalition. Jerusalem Post, 17. Januar 2013.
16 Hawkish bloc leads in polls ahead of Israel vote. Associated Press, 18. Januar 2013.

 

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