Israels Wahl: Ein Viertel der Wähler immer noch unentschlossen
Manfred Gerstenfeld (direkt vom Autor)
Unentschlossene Wähler stellen immer noch rund 25% der Gesamtwählerschaft.1Damit bleibt die tatsächliche Unterstützung für die verschiedenen israelischen Parteien ungewiss. Nach Angaben der jüngsten Umfragen erholt sich die ListeLikud/Unsere Heimat Israel bei den Wählern ein wenig. Die beiden Parteien verfügen in der gegenwärtigen Knesset über 42 Sitze. Vor ein paar Wochen, wäre dann gewählt worden, gaben ihnen die Umfragen nur noch 32.2
Ohne ein zentrales Thema für diese Wahlen haben die größeren Parteien jetzt viele Wochen lang hauptsächlich weiter zu einer Vielzahl kleinerer Themen auf einander geschossen. Am 8. Januar begannen die Werbekampagnen im Fernsehen und Radio. Die Parteien konzentrieren sich jetzt auf die regelmäßige Wiederholung ihrer Schlüsselbotschaften.
Likud/Unsere Heimat Israel konzentriert ihre Kampagne auf zwei Hauptthemen. Eines sind die Leistungen der Regierung von Premierminister Benjamin Netanyahu. Der wirtschaftliche Erfolg der Regierung wird betont: die Schaffung von 350.000 Arbeitsplätzen, die Revolution auf dem Handymarkt und die zum Stopp des Zustroms von Wirtschaftsmigranten aus Afrika an der ägyptischen Grenze gebaute Mauer. Auch Netanyahus Rede vor dem US-Kongress wurde gezeigt, während der er mehrfach Standing Ovations erhielt. Das illustriert die Hauptbotschaft: Wenn Netanyahu spricht, hört die Welt zu.
Ein zweites zentrales Thema von Likud/Unsere Heimat Israel war eine Attacke auf den Hauptkonkurrenten im Mitte-Rechts-Lager, die nationalreligiöse Partei Jüdische Heimat. Der Werbespot des Likud/Unsere Heimat Israel behauptet, dass hinter dem jungen Parteichef und Millionär Naftali Bennet mehrere radikal-rechte Kandidaten und extreme Rabbiner stehen.
Die von der ehemaligen Journalistin Shelly Yachimovich geführte Arbeitspartei – Hauptkonkurrent der Regierung von Mitte-Links – verspricht viele wirtschaftliche und soziale Zuteilungen, für die Geld von den Reichen genommen werden soll. Sie behauptet auch, dass die Mittelklasse weniger Steuern zahlen würde. Der Hauptslogan der Arbeitspartei ist nichtssagend: „Hier kann es besser sein.“ Die meisten Parteien in anderen Ländern hätten dasselbe Motto nutzen können.
Die sefardisch-ultraorthodoxe Shas schickte ihren geistigen Leiter auf die Bildschirme, den mehr als neunzig Jahre alten ehemaligen Oberrabbiner Ovadia Yosef, der dazu auffordert für sie zu stimmen. Sie stellt sich als natürliche Wahl für die in den niedrigen Einkommensstufen dar.
Die Sendezeit wird entsprechend der Zahl der Sitze in der derzeitigen Knesset verteilt. Den nicht dort vertretenen Parteien wird nur ein paar Minuten gegeben. Das bedeutet, dass die Partei Es gibt eine Zukunft des Medienmannes Yair Lapid, die nach Angaben der meisten Umfragen rund 10 Sitze erhalten wird, kaum im Fernsehen und im Radio erscheint.
Es bedeutet auch, dass Likud/Unsere Heimat Israel mehrere Spots in jeder Wahlwerbesendung hat. Die von Shaul Mofaz geführte Kadima liegt bei der Sendezeit an zweiter Stelle. Sieben ihrer 28 Parlamentarier brachen als Fraktion weg und schlossen sich der Bewegung der ehemaligen Kadima-Chefin Tzipi Livni an; sie nahmen ihre Sendezeit und die Wahlkampfgelder mit. Umfragen zeigen, dass es zweifelhaft ist, ob Kadima die Zweiprozent-Hürde überwindet. Sie versucht an die Wähler zu appellieren, indem sie erklärt, dass Mofaz ein guter Verteidigungsminister und Generalstabschef war. Seine politische Leistung als Parteichef ist jedoch schwach gewesen. Im Mai 2012 brachte er die Kadima in die Regierung Netanyahu ein.3 Im September verließ die Kadima sie wieder.4
Eine wichtige Entwicklung in den Nachrichten dieser Woche war der Bericht des staatlichen Rechnungsprüfers zu den gefälschten Dokumenten, die der Oberstleutnant der Reserve Boaz Harpaz anfertigte. Er versuchte die Ernennung von General Yoav Galant zum Generalstabschef zu verhindern. Verteidigungsminister Ehud Barak gehörte zu denen, die in dem Bericht kritisiert wurden.5 Da Barak aber nicht zur Wiederwahl in die Knesset antritt, konnte das nicht zu einem Wahlkampfthema von Bedeutung gemacht werden.
Am 6. Januar gab es auf Livnis Initiative ein Treffen mit Yachimovich und Lapid, um die Bildung eines einheitlichen Blocks zu diskutieren, der Netanyahu herausfordert. Es wurde allerdings keine Vereinbarung erzielt. Als Livni danach sagte, ihre Vorschläge seien von den beiden anderen abgelehnt worden, konterten Yachimovich und Lapid gemeinsam, sie verdrehe den Inhalt des Treffens. In ihrer Erklärung hieß es: „Jetzt ist klar, dass die Einladung zu einem Dreiergespräch nur eine von Livni angewandte List war, weil sie wegen ihrer fallenden Umfrageergebnisse verzweifelt.“6
Inzwischen machen die Palästinenser mit dem Untergraben der Behauptungen der Parteien weiter, die versichern, dass Frieden möglich ist. Der PA-Vorsitzende Mahmud Abbas und der Chef des Politbüros der Hamas, Khaled Meshaal, trafen sich in Kairo, um die Aussöhnung zwischen ihren beiden Bewegungen zu diskutieren. Netanyahu sagte, dies zeige, dass Abbas keinen Frieden wolle, als er „den Chef der Terrororganisation umarmte, der nur einen Monat zuvor verkündete, Israel solle von der Landkarte gewischt werden“. Netanyahu fügte hinzu: „Ein Führer, der Frieden ersehnt, verhält sich nicht so.“7
Nichts davon hat die israelische Öffentlichkeit begeistert. Weit wichtiger waren die Auswirkungen der Unwetterbedingungen von letzter Woche. Sintflutartige Regenfälle über mehrere Tage hinweg unterbrachen vielerorts das normale Leben. Ihnen folgte Schnee in Jerusalem und anderen hoch gelegenen Gebieten. Die Wahlwerbung war nicht in der Lage damit um die Aufmerksamkeit zu konkurrieren.
Dr. Manfred Gerstenfeld ist Mitglied des Aufsichtsrats des
Jerusalem Center of Public Affairs, dessen Vorsitzender er 12 Jahre lang war.
1 Stephan Miller: Latest polls confirm high level of undecided voters, indicate fall in support for Tzipi Livni. Times of Israel, 11. Januar 2013.
2 Netanyahu maintains comfortable lead in pre-election polls. JTA, 11. Januar 2013.
3 Jonathan Lis/Ophir Bar-Zohar: In surprise move, Netanyahu, Mofaz agree to form unity government, cancel early elections. Ha’aretz, 8. Mai 2012.
4 Yossi Verter: Kadima bolts over draft dispute, shattering coalition after only 70 days. Ha’aretz, 18. Juli 2012.
5 Yaron Druckman: State Comptroller finds misconduct in Harpaz affair. YNetNews, 6. Januar 2013.
6 Shlomo Cesana/Mati Tuchfeld/Avi Cohen: Knives come out in Center-Left after unity meet goes sour. Israel HaYom, 8. Januar 2013.
7 Elad Benari: Netanyahu Criticizes Abbas, Livni Criticizes Netanyahu. Israel National News, 11. Januar 2013.