Der Nahe Osten, Europa, die Juden
Manfred Gerstenfeld interviewt Yohanan Manor (direkt vom Autor)
Vor mehr als zwanzig Jahren wurde die berüchtigte Resolution „Zionismus ist Rassismus“ widerrufen. Wir haben seitdem viele neue Anstrengungen erlebt Israel zu delegitimieren. Israelische Meinungsführer und die Regierung müssen begreifen, was passiert, wenn Israel keine angemessenen Strategien gegen Delegitimierungshandlungen auf der internationalen Bühne entwickelt. Daher ist es aufschlussreich summarisch zu analysieren, wie diese UNO-Resolution 1975 entstand, was danach geschah und wie sie schließlich gekippt wurde.
Dr. Yohanan Manor ist der Vorsitzende von IMPACT-SE, die Lehrpläne von Schulen und Schulbücher untersucht, um zu überprüfen, ob sie mit internationalen Standards übereinstimmen. Er ist ehemaliger Lehrbeauftragter an der Hebräischen Universität und war Generaldirektor der Informationsabteilung der World Zionist Organization. Sein Buch „To Right a Wrong“[1] analysiert die Rücknahme der Resolution „Zionismus ist Rassismus“.
Manor sagt: Die Idee den Zionismus von den Vereinten Nationen verurteilen zu lassen entstand – Mitte der 1960-er Jahre – noch vor dem Sechstage-Krieg in der Sowjetunion. Sie entstammte der sowjetischen Ablehnung Antisemitismus von der UNO verurteilen zu lassen. Das geschah 1964 und 1965 während der Verhandlung der Internationalen Konvention zur Eliminierung aller Formen der Rassendiskriminierung innerhalb UN-Kommission für Menschenrechte. Da die Sowjetunion eine solche Position nicht offen äußern konnte, machte sie ihre Akzeptanz der Verurteilung des Antisemitismus von einer Forderung abhängig den Zionismus und den Nationalsozialismus zu verurteilen.[i]
Dann versetzte der Sechstage-Krieg 1967 dem sowjetischen Waffenarsenal und seinem Prestige einen schweren Schlag. Diese entwickelte daraufhin eine militantere Politik zur Wiedergewinnung und Erweiterung ihres Einflusses im Nahen Osten. Diese basierte auf einer fast totalen Unterstützung der Palästinensischen Befreiungsorganisation. Anfangs ging diese Vorgehensweise gut. Dann kamen größere Rückschläge, darunter der Rauswurf der sowjetischen Berater aus Ägypten, die israelisch-ägyptischen Entflechtungsverhandlungen vom November 1973 und das israelisch-syrische Entflechtungsabkommen vom Mai 1974 unter aktiver Beteiligung der USA. Das führte anscheinend zu einem Plan der UdSSR und der PLO, mit dem Israels Rauswurf aus den Vereinten Nationen herbeigeführt werden sollte, damit die PLO dessen Platz einnimmt.[ii]
Am 22. November 1974 erlangte die PLO bei der UNO Beobachterstatus als nationale Befreiungsbewegung. Im August 1975 erwähnte die Organisation für Afrikanische Einheit ausdrücklich, dass Israel „sein Status als Mitglied“ aberkannt werden sollte. In der UNO-Vollversammlung vom 1. Oktober 1975 forderte der ugandische Diktator Idi Amin „den Auschluss Israels aus den Vereinten Nationen und die Auslöschung Israels als Staat“. [iii]
Im Juli 1975 hatten die Sowjetunion und die PLO Erfolg; der Zionismus wurde auf der UNO-Konferenz zum Internationalen Jahr der Frau in Mexiko Stadt ausdrücklich verurteilt; in der Abschlusserklärung wurde betont: „Frieden verlangt die Abschaffung von Kolonialismus, Neokolonialismus, fremder Besatzung, Zionismus, Apartheid und Rassendiskriminierung in all ihren Formen.“[iv] Im August 1975 erklärte die Organisation für Afrikanische Einheit in Kampala: „Das rassistische Regime im besetzten Palästina und das rassistische Regime in Simbabwe und Südafrika haben einen gemeinsamen imperialistischen Ursprung… organisch verbunden in ihrer auf Unterdrückung der Würde und Integrität des menschlichen Wesens gerichteten Politik“. Auf der Konferenz der Blockfreien in Lima wurde „der Zionismus als Bedrohung des Weltfriedens massiv verurteilt“.
Westlicher und vor allem amerikanischer Widerstand zum Ausschluss Israels oder Aussetzung seiner Mitgliedschaft, insbesondere eine Warnung der Amerikaner, dass ein solcher Schritt die USA zwingen würde ihre UNO-Mitgliedschaft zu überdenken,[v] vereitelte die Initiative. Allerdings wurde das Bestreben verstärkt, als Ersatz die Verurteilung des Zionismus als Rassismus voranzubringen. Das wurde formell zuerst im Rahmen des Dritten Komitee der Vollversammlung am 16. Oktober 1975 erreicht und dann am 10. November 1975 im Plenum der UNO-Vollversammlung mit der Resolutin 3379 (XXX), die „feststellte, dass der Zionismus eine Form des Rassismus und der Rassendiskriminierung ist“. Die sowjetisch-arabische Koalition gewann mit 72 zu 35 Stimmen bei zwei Enthaltungen.
Von 1976 bis 1984 wurde die Resolution „Zionismus ist Rassismus“ immer wiederholt, manchmal sogar mit größerer Mehrheit. Noch weiter reichende Anträge wurden in anderen UNO-Gremien verabschiedet. Der Zionismus begann „im internationalen Diskurs mythische Proportionen als globale Ursache für die meisten Probleme der Welt“ anzunehmen. Dieser Trend drang auch beträchtlich in Kreise des Westens ein, besonders an Universitäten.
Die israelische und jüdische Welt betrachtete die Resolution mit Verachtung. Lange gab es keine israelischen Versuche die Resolution aufheben zu lassen. Diese unsinnige Haltung wurde fast ein Jahrzehnt beibehalten. Erst dann wurde vom offiziellen Israel eingeräumt, dass die Resolution direkt und nicht als irgendeine weitere Bekundung von Antisemitismus bekämpft werden musste. Ab dem Moment, als Israel aufwachte, sollte es mehr als fünf Jahre dauern „Zionismus ist Rassismus“ zu kippen.
Diese Aufhebung wurde schließlich nicht nur dank des Endes des Kalten Krieges erreicht, sondern in erster Linie, weil die Vereinigten Staaten die Führung übernahmen und massiv in das Rücknahme-Unternehmen investierten, trotz des offensichtlichen Widerwillens und der Verzögerungsmaßnahmen des Außenministeriums, die im Wesentlichen überwunden wurden, weil Senator Daniel Moynihan mit der Faust auf den Tisch schlug. Präsident George H. W. Bush gab „all seinen Botschaftern nie da gewesene Anweisungen Länder zu warnen, ein Fehlschlag bei der Abstimmung zur Widerrufung der Resolution könnte ihre Beziehungen zu den USA beeinträchtigen“.[vi] Schließlich wurde der Resolutionsentwurf zur Rücknahme durch achtundsechzig Staaten unterstützt und am 16. Dezember 1991 mit 111 zu 25 Stimmen bei dreizehn Enthaltungen verabschiedet.
Dr. Manfred Gerstenfeld ist Vorsitzender des Aufsichtsrats des
Jerusalem Center of Public Affairs.
[1]Yohanan Manor, To Right a Wrong: The Revocation of the UN General Assembly Resolution 3379 Defaming Zionism, (New York: Shengold, 1997).
[i]“Haseif leginui Haantishemiut Behatzaat Haamana Lebeur Kol Tsurot Haaflaia Hagizit”(Der Absatz zur Verurteilung des Antisemitismus im Resolutionsentwurf Konvention zur Beseitung aller Formen von Rassendiskriminierung), Top-Secret-Bericht von Meir Rosenne, New York, 25. Oktober 1965, S. 1, CZA (Central Zionist Archives) S110/12. [Hebräisch]
[ii]Senator Daniel Patrick Moynihan vermerkte, dass die sowjetische Seite noch nicht angemessen recherchiert wurde und empfahl eine wissenschaftliche Untersuchung, „um die Ursprünge und die Motivationen für die Lüge herauszufinden und offen zu legen.“ S. Daniel Patrick Moynihan: Z=R, Plus 9, Ansprache zum Studientag “Widerlegung der Gleichung Zionismus ist Rassismus“. Residenz des Präsidenten, Jerusalem, 11. November 1984, S. 3, CZA/S110/40.
[iii]Plenartagungen, Offizielle Aufzeichnungen der Vollversammlung, 13. Sitzung.
[iv]Abschlusserklärung der „Konferenz zur Gleichstellung von Frauen und ihrem Beitrag zu Entwicklung und Frieden“, Mexico Stadt, 2. Juli 1975.
[v]S.J. (Senate Joint) Resolution 98,verabschiedet am 18. Juli 1975.
[vi]William Harrop, US-Botschafter in Israel, gab die Existenz dieser nie da gewesenen Anweisungen preis; Jerusalem Post, 29. Juli 1991.