Die Führer von Iran und Hamas vor ein internationales Gericht stellen?

Die Führer von Iran und Hamas vor ein internationales Gericht stellen?

Manfred Gerstenfeld interviewt Botschafter Alan Baker (direkt vom Autor)

Internationale Gerichte und Tribunale könnten Israel eine Reihe Gelegenheiten bieten gegen diejenigen vorzugehen, die seine Vernichtung anstreben. Um zukünftigen Völkermord zu verhindern, der das größte Verbrechen der Welt ist, wurde 1948 die Konvention zur Verhinderung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermords – besser bekannt als UNO-Völkermordkonvention – verabschiedet. Nach den Artikeln 3 und 9 dürfen Klagen gegen einen Staat, der für Völkermord, für Verschwörung diesen zu begehen, für direkte und öffentliche Aufhetzung ihn zu begehen, für versuchten Völkermord und für Beteiligung an Völkermord an den Internationalen Gerichtshof übergeben werden.[1]

Botschafter Alan Baker ist einer der führenden Experten Israels für internationales Recht. Er war 1996 bis 2004 Rechtsberater und stellvertretender Generaldirektor des israelischen Außenministeriums, danach vier Jahre lang (2004 – 2008) Israels Botschafter in Kanada.Zur Zeit ist er Direktor des Institute for Contemporary Affairs am Jerusalem Center for Public Affairs.

Der Iran und seine Führer haben seit mehr als einem Jahrzehnt offen und systematisch zum Völkermord gegen Israel aufgehetzt. Seit 1956 ist der Iran Mitglied der UNO-Völkermordkonvention und kann daher vor den Internationalen Gerichtshof (ICJ) in Den Haag gebracht werden. Zusätzlich können, da Artikel 4 der Völkermordkonvention für Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder jeden Anspruch auf Immunität oder Freistellung aufhebt, der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad und der oberste Führer Ali Khamenei gemäß dem Statut von Rom des Internationalen Strafgerichtshof (ICC) von 1998 vor diesem angeklagt werden.[2] Da jedoch der Iran diesem Statut noch nicht beigetreten ist, müsste jede Klage gegen iranische Führer vom UNO-Sicherheitsrat an den ICC verwiesen oder vom Ankläger des Gerichts initiiert werden.

Baker führt an: Artikel 25 des ICC-Statuts erwähnt verschiedene Grade der Beteiligung an einem oder mehreren der angeführten Verbrechen, ob dies Aufhetzung zu Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschheit sind oder Beihilfe dabei, Werben dafür, Aufforderung dazu oder anderes bezüglich solcher Verbrechen.

Die allgemeine Regel ist, dass Staaten allen internationalen Konventionen nach souveränem Ermessen freiwillig beitreten. Es gibt aber gewisse Umstände, unter denen ein Staat verpflichtet sein könnte seinen Verpflichtungen gemäß einer Konvention nachzukommen, der er angehört oder für einen solchen Verstoß bestraft werden kann. Sollte sich der UNO-Sicherheitsrat entscheiden eine Klage gegen die Führer des Iran wegen Aufhetzung zu Völkermord an den ICC zu verweisen, so wäre dies verbindlich.

Ein wichtiges Problem ist im Fall des Iran, dass internationales Recht und dessen Praxis zu einem großen Teil von politischem Willen angetrieben sind. Daher handelte, als Präsident Ahmadinedschad zu UNO-Treffen in den USA war und zu einer Präsentation an die Columbia University eingeladen wurde, niemand um ihn zu verhaften. Das trotz der Tatsache, dass das theoretisch hätte gemacht werden können, hätten die Vereinigten Staaten oder irgendein anderer Staat das beim Sicherheitsrat beantragt.

Baker fügt hinzu: Die Hamas ist gemäß den Bestimmungen ihrer Charta ebenfalls ein Beispiel unverhohlener Aufhetzung zum Völkermord. Doch die Führer der Hamas, der Hisbollah, der Fatah und anderer Terrorgruppen und -organisationen können nicht vor den Internationalen Gerichtshof gebracht werden, weil das Gericht entsprechend seines Statuts nur mit Staaten zu hat. Daher können sie nicht unter die Jurisdiktion des Gerichtshofs fallen. Einzelmitglieder der Hamas und anderer Terrororganisationen könnten vor den ICC gestellt werden, wenn ein Land, das sich entscheidet diese Person zu verhaften, die Jurisdiktion des Gerichtshofs anerkennt und diese Leute nicht vor ein eigenes Tribunal stellt. Ähnlich wie bei der Situation zu Ahmedinedschad könnte theoretisch der UNO-Sicherheitsrat beauftragt werden eine Strafverfolgung gegen einen Repräsentanten der Hamas oder anderer Terrororganisationen in Gang zu setzen.

Um diese Hamas-Mitglieder vorzuladen, könnte man nicht das Verbrechen des Terrorismus nutzen, da dies im ICC-Statut noch nicht als Verbrechen aufgeführt wird. Es gibt aber mehrere Verbrechen, die unter „Verbrechen gegen die Menschheit“ angeführt werden – darunter Mord, Freiheitsentzug oder Freiheitsberaubung und Angriffe gegen die Zivilbevölkerung. Andere betreffen „Kriegsverbrechen“ wie vorsätzliche Tötung, (Körper-) Verletzung oder die Zufügung großen Leides, Geiselnahme, Angriff auf Zivilbevölkerung, zivile Objekte wie Städte und Dörfer, religiöse und Kultur-Gebäude sowie Versuche des Völkermords. Diese könnten Vertretern der Hamas oder jeder anderen Terrorgruppe angelastet werden.

Man sollte weiterhin anführen, dass diejenigen, die die Hamas und andere Terrororganisationen unterstützen, sponsern, finanzieren und ermutigen, theoretisch ebenfalls unter der Völkermordkonvention wegen „Verschwörung zum Begehen von Völkermord“[3], „direkter und öffentlicher Aufhetzung zum Begehen von Völkermord“[4] und „Mittäterschaft oder versuchtem Völkermord“[5] angeklagt werden können.

Derweil versucht die palästinensische Autonomiebehörde die internationalen Gerichte auszunutzen, um Israel zu schaden. Das ist eine Entwicklung, die an Boden gewinnen wird. Die Palästinenser werden zweifelsohne weiterhin die Eigenstaatlichkeit anstreben. Das wird ihnen die juristische Kapazität verschaffen Israel in internationalen Gerichten und Tribunalen zu jagen.

Um es zusammenzufassen: Wir können davon ausgehen, dass es in der Zukunft weitere Versuche geben wird in Konflikten im Nahen Osten diese rechtlichen Mittel zu nutzen. Daher sollte Israel analysieren, was es einerseits juristisch gegen diejenigen unternehmen kann, die ihm oder seiner Führung Schaden zufügen wollen und andererseits zu verhindern, dass diese juristischen Optionen gegen es selbst genutzt werden.

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Vorsitzender des Aufsichtsrats des
Jerusalem Center of Public Affairs

 

[1] http://www.hrweb.org/legal/genocide.html
[2] Statut von Rom des Internationalen Strafgerichtshof, Artikel 5(a), 6 und 27, www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/ADD16852-AEE9-4757-ABE7-9CDC7CF02886/283503/RomeStatutEng1.pdf
[3] Konvention zur Verhinderung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermords, 1948, Artikel 3(b)
[4] Ebenda, Artikel 3(c)
[5] Ebenda, Artikel 3(d) und (4)

 

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