Israel: Mein angenehmster Posten als Botschafter

Israel: Mein angenehmster Posten als Botschafter

Manfred Gerstenfeld interviewt Bob Hiensch (direkt vom Autor)

Israel ist ein Land der Einwanderer. Das macht das Leben eines Botschafters sehr angenehm. Als Ausländer kann man sich in der israelischen Gesellschaft bewegen ohne aufzufallen. Mehrere weitere Gründe haben zu der Tatsache beigetragen, dass Israel für mich und meine Frau der angenehmste Posten war. Dazu gehörte die Bedeutung der diplomatischen Arbeit in Israel und Freundschaften, die wir mit Mitgliedern der niederländischen Gemeinschaft knüpften.

Israel hat mir eine Menge gegeben. Ich bin nicht religiös, aber vier Jahre im Land der Bibel zu leben hat mein Leben immens bereichert. Das lag auch daran, dass man die Orte besuchen kann, die darin erwähnt werden.

Bob Hiensch kam im August 2003 als niederländischer Botschafter nach Israel und verließ es vier Jahre später wieder. Die Niederlande und Luxemburg – das in Israel von den Niederlanden politisch vertreten wird – hatten während seiner Zeit als Botschafter jeweils sechs Monate lang den Vorsitz des Rats der Europäischen Union. Er leitete ein Jahr lang die Treffen der Botschafter der EU-Staaten in Israel. In dieser Position ist man der Kontrapunkt des Rats für die israelische Regierung.

Mein Blickwinkel auf Israel hat sich während meiner Zeit als Botschafter verändert. Israel wird in Europa als Regionalmacht gesehen. Wenn man in Israel lebt, dann versteht man, dass es ein kleines Land ist, von Hunderten Millionen Arabern umgeben, die ihm gegenüber zumeist feindlich eingestellt sind.

Ein weiteres Beispiel veränderter Perspektive betrifft die Sicherheitsbarriere. Viele Menschen in den Niederlanden und Europa betrachten sie als Skandal, insbesondere wenn sie auf palästinensischem Gebiet verläuft. Im niederländischen Außenministerium betonte ich immer, dass diese Sperre die Sicherheit Israels enorm verbesserte. Teilweise wegen ihr sind palästinensische Selbstmordbomber praktisch gestoppt worden. Ich stellte heraus, dass eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen nur möglich werden würde, wenn Israel sich sicher fühlt.

Ein Boschafter hat Verkehr in zwei Richtungen. Man kann sich nicht darauf beschränken den israelischen Behörden die europäischen und niederländischen Positionen zu erläutern. Es ist auch notwendig dem niederländischen Ministerium zu erklären, dass es andere Möglichkeiten gibt Israels Wirklichkeit zu betrachten. Man kann zum Beispiel sagen: „Betrachten Sie die Sache auch aus diesem Blickwinkel.“ Ich hatte immer das Gefühl, dass solche Erklärungen von meinem Ministerium geschätzt wurden. Es hat mir mit Sicherheit nicht geschadet, da mein nächster Posten in Indien einen leicht höheren Rang hatte.

Ich fand den israelischen Abzug aus dem Gazastreifen eindrucksvoll. In westlichem Umfeld wurde er oft als unbedeutend abgehandelt; man sagte etwas wie: „Israel zieh sich aus Gebieten zurück, in denen es überhaupt nicht hätte sein sollen.“ Ich schrieb ziemlich empathisch an das Ministerium in Den Haag, dass es für einen religiösen Juden und Zionisten etwas Fundamentales und politisch ein sehr wichtiger Schritt war – ein Paradigmenwechsel.

Als Botschafter sieht man sich auch an, welche Geschäfte und andere Initiativen für das eigene Land wichtig sein könnten. Es scheint mir, dass die Niederlande bezüglich Wissenschaft und Technologie viel von Israel lernen könnten. Ich war besonders von Israels Investitionen in Risikokapitalanlagen im Hi-Tech-Bereich beeindruckt.

Leider hat Israel auch einige tragische Erinnerungen bei mir hinterlassen. Wir kamen gegen Ende der zweiten Intifada in Israel an, als es immer noch zahlreiche Anschläge durch Palästinenser gab. Am Tag nach meiner Ankunft in Israel explodierte in Jerusalem ein Bus, in dem orthodoxe Juden saßen, darunter viele Kinder.

Eine meiner traurigsten Erfahrungen war ein Selbstmordanschlag im Hafen von Aschdod. Ich ging als Repräsentant des EU-Rats dorthin. Was ich sah, hinterließ bei mir einen bleibenden Eindruck. Der Selbstmörder hatte Metallkugeln in seiner Jacke, um so viel Schaden wie möglich anzurichten. Ich nahm eine Reihe davon an mich, um sie anderen Botschaftern zu zeigen.

Bei einer anderen Gelegenheit legten wir nach einem Anschlag in Jerusalem, bei dem Schulkinder ermordet wurden, einen Kranz nieder. Ihre Klassenkameraden standen trübsinnig daneben. Sie fragten uns: „Warum tut die Welt nichts?“ Man steht da, mit Tränen in den Augen und hat keine Antwort. Ich denke auch an die israelischen Soldaten niederländischer Herkunft zurück, die im Libanonkrieg 2006 starben. Ich hatte Kontakt mit ihren Eltern, die diese furchtbaren Verluste erfuhren.

Ein sehr angenehmer Aspekt Israels ist seine offene Gesellschaft und Politik. Man hat kurzfristig Zugang zu Bürokraten und wenn nötig auch zum Außenminister. Man konnte auch leicht Parlamentarier treffen. Teilweise deshalb hatte man das Gefühl, als Botschafter in Israel etwas in den Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern erreichen zu können.

Bevor ich Israel verließ, gab mir der damalige Premierminister Ehud Olmert eine Privataudienz. Ich habe nie gehört, dass er das für irgendeinen anderen Botschafter machte. Ich betrachtete das als sehr besonders und bin auch recht stolz darauf.

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Mitglied des Aufsichtsrats des
Jerusalem Center of Public Affairs, dessen Vorsitzender er 12 Jahre lang war.

 

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