Israel: Verheißung der Rettung der Menschheit

Israel: Verheißung der Rettung der Menschheit

Manfred Gerstenfeld interviewt Giulio Meotti (direkt vom Autor)

Das winzige Israel sollte der westlichen Welt sehr wichtig sein, denn es ist das am stärksten gefährdete Mitglied unserer Zivilisation. Die Lage der Juden heute ist wieder der Brennpunkt riesiger Identitätsschlachten. Das Judentum ist die Quelle von Menschlichkeit, Recht, Moral, Demokratie und damit für alle ein Leuchtturm der Hoffnung. Das ist die wichtigste bestimmende Frage unserer Zeit. Ich frage mich, was mit anderen Demokratien geschehen wird, wenn Israel untergeht.

Dass ein Volk, das dreitausend Jahre lang von Auslöschung bedroht wird, im ursprünglichen Heimatland seine nationale Wiedergeburt erfährt, sollte – besonders in den Augen der westlichen Zivilisation – ein Erlösungsversprechen für die gesamte Menschheit sein. Das trifft um so mehr zu, weil das wasserarme und kleine Land dieses Volks – auf der Grenze zwischen Überleben und Vernichtung – sich in der Mitte einer Region befindet, die sein Existenzrecht gewalttätig bestreitet. Man muss kein Jude sein, um das zu begreifen.

Giulio Meotti ist italienischer Journalist und Schriftsteller. Er hat einen Abschluss in Philosophie und ist Redakteur der Tageszeitung Il Foglio. 2010 veröffentlichte er A New Shoah, The Untold Story of Israel’s Victims of Terrorism. (Eine neue Schoah: Die nicht erzählte Geschichte der israelischen Terroropfer).1

Es gab mehrere Gründe für mich The New Shoah zu schreiben. Ich glaube an westliche Werte und damit an die Sicherheit des Staates Israel. Ich schreibe von Europa aus, einem Kontinent, der Zeuge einer großen Welle monströsen neuen und radikalen Antisemitismus und der Delegitimierung des Existenzrechts Israels ist. Das signalisiert das Risiko einer wichtigen Lawine in der westlichen Gesellschaft und vielleicht deren Niedergang. Ich hatte mir außerdem einen Auftrag gegeben: israelische Opfer vor dem Vergessen zu retten, ihnen einen Namen und einen Ort zu geben, indem ich ihre Geschichten rette.

Ich verbrachte sechs Jahre damit israelische Zeugen von terroristischen Gräueltaten der Zeit der so genannten „Oslo-Kriege“ von 1994 bis 2010 aufzuspüren. Ich interviewte sowohl Menschen, die Anschläge überlebten, als auch Familienmitglieder von Opfern, die nicht überlebten. Ich erlebte sehr schwierige Momente und dachte sogar darüber nach das Projekt aufzugeben. Es war eine Arbeit von sechs Jahren unerbittlicher Entschlossenheit, Einsamkeit und vielleicht obsessiver moralischer Hingabe.

Ich schrieb A New Shoah nicht als Erinnerung für das Archiv, sondern als Nacherleben einer Schoah kleineren Ausmaßes. Das war nicht der Völkermord an Millionen Menschen, die nur deshalb getötet wurden, weil sie in Europa lebende Juden waren, sondern der Mord an vielen Einzelpersonen, die getötet wurden, weil sie in Israel lebende Juden waren. Es ist ein riesiges schwarzes Loch, das innerhalb von fünfzehn Jahren 1.557 unschuldige Männer, Frauen und Kinder schluckte und mehr als 17.000 Verletzte zurückließ. Ich biete dieses Buch als Gedenkgesang für die zu Märtyrern gemachten Juden, die Israels Geschichte an zukünftige Generationen weitergeben. Es ist ein seltenes Dokument und ich hoffe, dass man diese Geschichten in den nächsten Jahrzehnten bis hin zur Feier des hundertjährigen Bestehens Israels wiederholt lesen wird.

Ich wusste, dass ich für die Veröffentlichung eines solchen Buches einen hohen Preis zahlen würde. Heutzutage in Italien, insbesondere in journalistischen und akademischen Kreisen, Israel wohlwollend zu erwähnen, heißt einen Feuersturm an Verdammung zu riskieren. Oder schlimmer, Angriffe auf die eigene Person. Ich wurde ein „Agent Israels“ genannt, „ein hardcore-zionistischer Depp“, „verachtenswert“, „rechter Müll“, „Shylock“ und so weiter. Auf arabischen Internetseiten wurde ein Foto mit meinem Gesicht und dem darauf geprägten Davidstern veröffentlicht. Ich erhielt drohende E-Mails wie diese: „Sehr geehrtes, Fäkalien fressendes Insekt, kratze weiter im zionistischen Dung, die Hasbara wird dir dreißig Silberlinge einbringen.“ Doch ich bleibe stolz auf die Arbeit, die ich mache. Mein Sohn und dieses Buch sind die Hauptrechtfertigungen meiner Existenz.

Il Foglio, die Zeitung, für die ich schreibe, hat nur eine kleine Auflage, doch alle entscheidenden Personen der italienischen Gesellschaft lesen sie. Es ist die einzige pro-israelische Zeitung in Italien. Während der schlimmsten Monate der Zweiten Intifada im Jahr 2002 griffen palästinensische Selbstmordbomber israelische Hotels, Einkaufszentren, Restaurants usw. an. Sie töteten Hunderte unschuldiger Menschen.Il Foglio rief dann zu einer Demonstration zugunsten Israels in Rom auf. Tausende Menschen, von denen viele israelische Flaggen schwenkten, versammelten sich an Roms Rathaus auf dem Kapitolhügel und begaben sich auf den Weg entlang des Tiber zur großen Synagoge.

Einige trugen Transparente mit der Aufschrift „Wir stehen zu Israel“. Andere Demonstranten legten Kiesel um die Synagoge – eine Geste, die an den jüdischen Brauch zur Kennzeichnung eines Grabes erinnert. Israelische Flaggen wehten an Fenstern des Viertels. Il Foglio machte all das möglich und kämpfte eine historische Schlacht zugunsten von Wahrheit, Gerechtigkeit und Ehre des Westens, zu dem Israel gehört.

2005 forderte Irans Mahmud Ahmadindschad erstmals die Entfernung des Staates Israel von der Landkarte. Il Foglios Herausgeber Giuliano Ferrara rief zu einem öffentlichen Protest auf; er sagte, die Italiener sollten „zur Verteidigung des Existenzrechts Israels“ demonstrieren. Diesmal fand die Demonstration vor der Botschaft des Iran in Rom statt. Politiker der Linken und der Rechten nahmen daran teil. Es war ein wunderbarer Abend. Israel und die Juden wussten, dass sie nicht alleine waren.

 

Comments are closed.