Kanadische Kirchen für und gegen Israel

Kanadische Kirchen für und gegen Israel

Manfred Gerstenfeld interviewt Paul Merkley (direkt vom Autor)

Siebenundsechzig Prozent aller Kanadier sind Kirchenmitglieder, während 24% erklären keine Religion zu haben. Der Islam ist mit 3% der Gesamtbevölkerung die drittstärkste Religion, das Judentum liegt mit 1% auf Rang sieben. Rund 25% der Kanadier sagen, dass sie regelmäßig zur Kirche gehen.

Die römischen Katholiken stellen rund 40% der kanadischen Christen. Alle protestantischen Konfessionen zusammen bilden 35%, von denen die Großkirchen 18% repräsentieren. Die größte protestantische Konfession ist die United Church of Canada (UCC) mit rund 9% der kanadischen Christen, gefolgt von den Anglikanern, Baptisten und Lutheranern. Die Mitgliedschaft in diesen Großkirchen, die alle dem Ökumenischen Rat der Kirchen („Weltkirchenrat“) angeschlossen sind, ist in den letzten Jahrzehnten beständig zurückgegangen. Evangelikale Kirchen repräsentieren rund 10% der kanadischen Christen.

Paul Merkley ist Professor emeritus für Geschichte an der Carleton University in Ottawa. Er ist Autor mehrerer Bücher zu Israel und christlichem Zionismus. Er ist zudem Mitglied im Vorstand der Internationalen Christlichen Botschaft in Jerusalem.

Unter den Protestanten scheint die Trennung wegen der Politik gegenüber Israel entlang der Bruchlinie zwischen „Groß-„ und „evangelikalen“ Kirchen zu verlaufen. Die Großkirchen neigen zum Antizionismus, während Evangelikale dem Zionismus zuneigen. Christliche Zionisten glauben, dass zu einer treuen Haltung zu den heiligen Schriften der Glaube an prophetische Teile der hebräischen Bibel gehört. Die Großkirchen und etabliertere evangelikale Kirchen – wie Methodisten und Baptisten – lehnen diese Auffassung ab.

In den letzten Jahren verabschiedete die UCC viele Resolutionen zum „besetzten Palästina“ und Israel. Das Hauptthema bei kürzlich zurückliegenden Tagungen ist die Ausweitung der BDS-Kampagne gewesen. Es hat außerdem Workshops und einen großen Gottesdienst für die „Niederlage der israelischen Besatzer“ gegeben.

Im Sommer 2013 hielt die UCC eine eigene nationale Zusammenkunft ab, während die anglikanische und die lutherische Kirche eine gemeinsame nationale Versammlung durchführten. Sie verabschiedeten Resolutionen gegen Israel, die denen glichen, die vorher nicht durchgekommen waren. Die anglikanisch-lutherischen Resolutionen forderten „Bildung in Kirchen zum Einfluss illegaler Siedlungen auf das Leben der Palästinenser und Israelis … zur Identifizierung von in oder im Zusammenhang mit illegalen Siedlungen produzierten Waren usw.“ Sie forderten Kirchen zudem auf, Theorien und Ansichten zu erforschen und infrage zu stellen, die Israels Existenzrecht bestreiten. Das scheint zu ignorieren, dass diese Leugnung die offizielle Position aller politischen palästinensischen Gruppen ist, einschließlich der der Hamas und der Fatah.

Diese anglikanisch-lutherischen Resolutionen lassen außer Acht, dass Israelis unter palästinensischen Raketenangriffen leiden, dass die PA regelmäßig Terroranschläge feiert, dass palästinensische Sportstadien und andere Einrichtungen Selbstmordbombern gewidmet werden und dass man Schulkinder aufgestachelt Märtyrer zu werden. Die Resolutionen scheinen das verfälschte Narrativ eines „palästinensischen Urvolks“ zu übernehmen. Sie erwähnen nicht, dass die PA die Jahrtauende dauernde Geschichte des jüdischen Volks im Land Israel bestreitet.

Der kanadische Rat der Kirchen ist das wichtigste zwischenkirchliche Gremium. Zu ihm gehören die dem ÖRK angeschlossenen sowie die römisch-katholische und die orthodoxen Kirchen. Seit 1947 hat er die Regierung mit Ratschlägen zur gesamten Bandbreite laufender innenpolitischer wie außenpolitischer Themen bombardiert. Der breiten Masse in den Kirchen ist die von ihren Führungen eingenommenen öffentlichen Positionen kaum bewusst.

Die römisch-katholischen Laien und der Großteil des Klerus – wobei der Schwerpunkt der Konfession in der Provinz Quebec liegt – sind vermutlich Israel gegenüber positiver eingestellt als der Vatikan und die protestantischen Großkirchen-Leiter. Aber die römischen Katholiken sind von der Auffassung, dass Israel Gottes besondere Gnade genießt, nicht so bewegt wie christliche Zionisten. Die Bibel hat in ihrer Tradition keine zentrale Rolle, obwohl es Grund für die Ansicht gibt, dass sich das ändert. Sie sind also weniger an aktuellen religiösen Büchern und christlichem Fernsehen interessiert.

Viele Jahre lang war Kairos eine sehr effektive interkonfessionelle kanadisch-christliche Organisation, die soziale und politische Themen vorantrieb. Ihre Positionen befanden sich im links-internationalistischen Spektrum. Ihre Leiter kamen häufig aus historischen Friedenskirchen wie den Mennoniten und den Quäkern. Kairos unterstützte die Israel Apartheid Week und beschrieb den Zionismus als „eine Ideologie des Imperiums, des Kolonialismus und des Militarismus“. Sie übernahm auch ohne Wenn und Aber die palästinensische Darstellung zur Nakba. 2009 kündigte die kanadische Regierung den schrittweisen Rückzug aus jeglicher Finanzierung von Kairos an; dieser ist inzwischen abgeschlossen.

Kirchenangelegenheiten ziehen in den Medien Kanadas wenig Aufmerksamkeit auf sich. Ausnahmen sind Geschichten über lange zurückliegenden sexuellen Missbrauch in Schulen und gelegentliche aktuelle Themen zum Missbrauch von Gemeindegeldern durch Kleriker. Die protestantischen Konfessionen unternehmen viel, um den Resolutionen ihrer Versammlungen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Frage des BDS bekam auf den Innenseiten einiger Zeitungen manchmal Schlagzeilen, veranlassten aber keine Leitartikel.

Als ich im Internet nach Quellenangaben in Printmedien zu den jüngsten antiisraelischen Äußerungen der UCC suchte, fand ich lediglich eine Ausführung in einer Lokalzeitung im April 2014. Barry Kay, Professor für Politikwissenschaften an der Wilfrid Laurier University in Waterloo (Ontario) stellte passend fest: „Institutionen wie die United Church of Canada, die bei allen Verstößen in der Welt nur Israel als Ziel für Boykott im Visier hat und darüber hinaus erklärte, dass die Palästinenser den jüdischen Staat nicht anerkennen sollten, sind selbst ein Hindernis für einen Kanal zum Frieden in der Region. In ihrer Suche nach Frömmelei dienten sie lediglich dem Fortbestehen der Vergeblichkeit.“

 

 

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